Die Anfänge des Schäferlaufs

Mit dem Erlass einer Schäferzunftordnung durch Herzog Eberhard III. von Württemberg im Jahre 1651 wurde ein alljährliches Zunfttreffen in Markgröningen (damals noch Gröningen) angeordnet. Aufgaben und Ablauf des Treffens waren genau geregelt. Und es stand mitnichten im Mittelpunkt, das Volk zu amüsieren. Es wurden Rechts- und Ordnungsangelegenheiten der Schäferzunft verhandelt, und es herrschte Anwesenheitspflicht.

Da die im ganzen Land lebenden Schäfer aber Probleme hatten, sich auf diesem jährlich stattfindenden Zunfttreffen einzufinden, ließ Herzog Eberhard Ludwig die Hauptlade 1723 aufteilen und Nebenladen in Heidenheim, Bad Urach sowie Wildberg einrichten. Im Vordergrund standen klar wirtschaftliche und vor allem berufsständische Überlegungen.

Der Schäferlauf kommt nach Wildberg

Eberhard Ludwig schrieb 1723 an seinen Keller Assum – ein Verwalter – in Wildberg:

„Lieber Getreuer!

Dir ist bekannt, ward gestalten bis daher eine allgemeine Zusammenkunft der Schäfer in dem Land auf Bartholomäi zu Markgröningen jährlich gehalten worden. Nachdem aber die Erfahrung bezeigt, dass solche Generalzusammenkunft vielen Beschwerlichkeiten unterworfen, da manchmalen diejenigen Schäfer, welche allzu weit entlegen mit der Hin- und Wiederreis ganze Wochen zubringen, deßweg große Unkosten aufwenden, auch die Herden zu nicht geringem Schaden und Gefahr der Eigentumsherren eine solche geraume Zeit unerfahrenen Leuten anvertrauen müssen, als seien wir bewogen worden, bis die vorhabende neue Schäfer-Ordnung zum Stand gebracht wird, gnädigst zu verordnen, da über die Ordinarj- und Hauptladen zu besagtem Gröning, noch drei Nebenladen wie vor alters auch gewesen in dem Land, nämlich zu Urach, Heidenheim und Wildberg angerichtet, mithin auch bei Dir eine jährliche Zusammenkunft der Schäfer aus denen Städt und Aemtern Wildberg, Nagold, Calw, Hirsau, Altensteig, Herrenberg, Liebenzell, Neuenbürg, Wildbad, Zavelstein, Bulach, Freudenstadt, Dornstetten, Dornhan, Alpirsbach, Rosenfeld, Sulz am Neckar, St. Georgen, Schiltach, Hornberg und SchrisftstückKlosterreichenbach auf Jakobi jedesmals angestellt, ein Schäferlauf gehalten und all dasjenige, was sonsten in Schäfereisachen bei der Zusammenkunft in Markgröningen auf Bartolomäi traktiert und vorgenommen wird, dieseorts auch bei Dir auf Jakobi verhandelt und ausgemacht. Ist deswegen Unser gnädigster Befehl an Dich, Du sollest diese Unsere Verordnung in dem gnädigst Dir anvertrauten Stadt und Amt gehörig publicieren und dass derselben nachgelebt und der Schäferlauf jetzt Jakobi das erstemal gehalten werde, die weitere Verfügung tun. Daran beschicht Unser gnädigster Befehl. Stuttgart, in commiss, oeconom, cameral den 5. Juli 1723.“

Markgröningen blieb also das wichtige Zentrum, doch die drei Nebenladen wurden eingeführt, um Reiseaufwand und Risiken zu verringern. Aus der Wendung „wie vor alters auch gewesen“ darf man schließen, dass damals eine offenbar nützliche frühere Übung erneuert wurde.

Am Zunfttag der Schäfer waltete auch das Schäfergericht seines Amtes. Zu dessen wichtigen Aufgaben gehörte das Erteilen der Gesellen- und Meisterbriefe. Diese wiederum konnte nur erlangen, wer den Vorschriften der „Schäferey-Oberinspektion“, die in Stuttgart saß, Rechnung trug. Die dreijährige Lehrzeit bei einem Meisterschäfer musste – so wörtlich – ehrlich und redlich erstanden sein.

Der als Schäferknecht bezeichnete Schäfergeselle hatte dann drei Jahre als solcher zu dienen, bevor er mit dem Meisterbrief versehen werden konnte. Das Schäfergericht zog auch die sogenannten Leggelder ein. Wer Schafe halten wollte, musste diese Abgaben aufbringen und hatte demnach eine Art Gewerbesteuer zu entrichten. Strenge Regeln verboten die Beschäftigung von Hirten ohne abgeschlossene Ausbildung. Die wiederum hätten geringere Kosten verursacht und war offenbar nie ganz auszuschließen.

Man sieht, dass der Schäferei, einem der ältesten Erwerbszweige, große Beachtung geschenkt wurde. Dabei stand – wie schon ausgeführt – der wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund, während von der so wichtigen Landschaftspflege in den alten Urkunden nichts zu lesen ist.

Die Berufsangehörigen mussten am Schäfertag teilnehmen, doch es gab wohl auch Mittel und Wege, sich dieser Verpflichtung zu entziehen. Was lag also näher, als einen Laufwettbewerb zu veranstalten, der in fröhliches Festgeschehen eingebettet wurde. Man hatte erkannt, dass am Ziel langer Fußmärsche eine ganz besondere Abwechslung stehen musste, um das notwendige Interesse nachdrücklich zu beleben.

Der angesprochene Wildberger Keller Assum hat jedenfalls schon am 4. August 1723 seinem Landesherrn Bericht erstattet. Wer mit der Organisation einer Schäferlaufveranstaltung heutigen Zuschnitts zu tun hat, der staunt in welcher kurzen Zeit ohne die Kommunikationsmöglichkeiten unserer Tage einer „Weisung von oben“ nachgekommen wurde.

Ein Auszug aus seinem Bericht:

„Auf Endigung des Durchgangs wurde alles im Schloßhof in dieser Ordnung gestellt und der Ausmarsch ins Feld hinaus zum Lauf so vollführt, dass

der Zahlmeister,
ein Burger mit der Hallbarten gegangen, auf diesen drei Musketier gefolgt,
der Tambour,
wiederum drei Musketier,
vier Pfeiffer,
wurde der Hammel gekrönt geführt,
ginge ein Schäfer mit dem besonders gemachten Hirtenstab, woran ein seiden Tüchlein, darum die Schäfertöchter zu springen
folgten die zwei Obermeister,
der fliegende Fahnen und dann,
die sämtlichen Schäfer, vier in einem Glied, ihre Stecken wie Flenten auf den Achseln tragend.

Nach vollendetem Lauf ging alles in solcher Ordnung wieder in Schloßhof zum Tanz zurück, wobei aber sodann vor den Fahnen der Schäfer so den Hammel und das Mentsch so das Tüchlein gewonnen, einander an der Hand, der Kerle einen grünen Kranz, das Mentsch einen Schape aufhabend, einführen mussten; folglich auch alles ohne Händel abgegangen und die Schäfer bescheidentlich Abschied genommen.“