In Wildberg ist die Tradition der Schafhaltung fest verwurzelt. Ihr verdankt die Stadt nicht nur ihr beliebtes Heimat- und Brauchtumsfest, den seit 300 Jahren stattfindenden Schäferlauf. Auf die umgebende Landschaft hat unter anderem die Schafhaltung großen, positiven Einfluss.
„Natur und Landschaft im Landkreis Calw sind äußerst vielfältig“, weiß Dr. Philipp Beck, Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbandes Landkreis Calw. „Der oft kleinräumige Wechsel zwischen Äckern, Wiesen und Weiden, Hecken und Feldrainen sowie Wäldern bietet Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten und ist darüber hinaus auch sehr attraktiv für Erholungssuchende.“ Einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung dieser „abwechslungsreichen Landschaft“ leisten rund 550 Landwirte durch die Bewirtungschaftung von Äckern, Wiesen und Landschaftselementen.
Stadtschäfer Karl-Martin Bauer trägt nicht nur mit seiner großen Schafherde zum Landschaftserhalt bei. Für spezielle Flächen hat er einen „Landschaftspflegetrupp“ im Einsatz, wie er die kleine Herde mit Schafen und Ziegen nennt. Die Ziegen fressen Sträucher und „Stacheliges“, verhindern, dass freigelegte Flächen wieder zuwachsen und schaffen und pflegen damit wertvolle Lebensräume. Außerdem scheuen sie auch steinige, steile Flächen nicht. Die Schafe des Trupps fressen das dazwischen aufkeimende Gras. Die Herde ist, solange es die Jahreszeit erlaubt, auf verschiedenen Flächen im Stadtgebiet im Einsatz. Karl-Martin Bauer kennt die Umgebung gut und stellt begeistert fest, wie gut die Beweidung funktioniert, wie sich Flächen im Lauf der Jahre verändert haben oder erhalten werden konnten. Der Naturschutz-Aspekt gehört für den Stadtschäfer und seine Familie einfach zum Beruf dazu.
Auch für Markus Kleinbeck ist es inzwischen eine Selbstverständlichkeit, dass Ziegen die Landschaftspflege seiner Schafe unterstützen. Die beiden Tierarten seien ein gutes Gespann, wie der Gültlinger Schäfer erzählt, denn ihre Futter-Vorlieben ergänzen sich gut. Stellt er seine Schafherde mit den zehn integrierten Ziegen auf einer Weide ab, nehmen die Schafe sofort die Köpfe runter und grasen, während die Ziegen Ausschau nach einer Hecke halten. Hier frisst keiner dem anderen was weg.
Reichen die zehn Ziegen einmal nicht aus, um das Gestrüpp auf einer Weidefläche zu beseitigen, kommt der „Aufräum-Trupp“ hinterher: eine reine Ziegenherde mit rund 50 Burenziegen. Sie sind zudem auf anderen Flächen im Einsatz, wo Gebüsch prägend ist. Auf städtischen Flächen, beispielsweise am Gültlinger Kapf, sowie Flächen, die der Landschaftserhaltungsverband freigelegt hat, leisten sie gute Arbeit – und das auf ganz natürliche Weise.
Nicht nur Schafe und Ziegen sind auf den Flächen rings um Wildberg zu sehen und gehen „ihrer Arbeit nach“. Auch Kühe und Pferde weiden und leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Landschaftserhalt. So beispielsweise die beiden gemischten Herden vom Wildberger Müllerthof, die je nach Witterung fast das ganze Jahr im Bereich Wildberg und Effringen draußen sind. Kühe und Pferde ergänzen sich dabei optimal in Sachen Futter: Die Charolais-Kühe weiden recht „normal“, während die Hinterwälder (eine alte Kuhrasse aus dem Schwarzwald, die vom Aussterben bedroht ist) kleiner und leichter sind und so auch in Hanglagen gut zurecht kommen. Sie gehen auch gerne mal an Gestrüpp und verhindern so, dass an unerwünschten Stellen Hecken nachwachsen. „Die Rasse ist im Landschaftserhalt wirklich gut“, weiß Karolin Weik vom Müllerthof. Dazu kommen pro Herde vier bis fünf Pferde. Kühe kommen beim Abfressen nicht so tief an die Grasnarbe, da sie weniger Zähne haben. Pferde hingegen schon. Zudem fressen Kühe und Pferde unterschiedliche Pflanzen.
Beide Herden kommen auf Flächen zum Einsatz, die zu steil für maschinelles Mähen sind. Wie im Falle der Ziegen und Schafe handelt es sich dabei oftmals um Flächen, die vom Landschaftserhaltungsverband freigelegt wurden und nun frei bleiben sollen. Groß und Klein, Kuh, Pferd, Ziege und Schaf, leisten hier also einen gleichermaßen wichtigen Beitrag durch die Beweidung.
Von den insgesamt rund 10.000 Hektar Grünland im Landkreis Calw werden etwa zwei Drittel extensiv bewirtschaftet. Extensiv bedeutet, dass die Nutzung der Flächen mit möglichst wenig Eingriff in die Natur und unter Erhalt der vegetativen Standortfaktoren erfolgt. „Die Vielfalt im Landkreis Calw spiegelt sich auch in der großen Anzahl an Schutzgebieten wider“, fährt Dr. Philipp Beck fort. Insgesamt gibt es über 2.200 gesetzlich geschützte Biotope, 26 Naturschutzgebiete mit über 2.200 Hektar Fläche sowie acht FFH-Gebiete, zwei Vogelschutzgebiete und 14 Landschaftsschutzgebiete mit über 25.000 Hektar.
„Einige dieser wertvollen Lebensräume sind traditionell über viele Jahrhunderte durch die Schafbeweidung entstanden und prägen unsere Landschaft“, erklärt Dr. Beck. „Wenn Flächen nicht mehr oder nicht regelmäßig genutzt beziehungsweise beweidet werden, fassen Gebüsche und Gehölze langsam Fuß und die Flächen wachsen zu.“ Vor allem auf steilen und schwer zugänglichen Flächen sei eine maschinelle Pflege meist nicht möglich. Aus naturschutzfachlicher Sicht sei diese auch nicht von Vorteil. Daher werde „auch in Zukunft die Beweidung mit Schafen und Ziegen unverzichtbar für den Erhalt dieser hochwertigen Lebensräume und das typische Bild unserer Kulturlandschaft sein“. Rings um Wildberg gebe es zahlreiche Flächen, die auf eine Schafbeweidung angewiesen seien. „Durch die Beweidung werden wertvolle Magerrasen geschaffen und erhalten“, betont Dr. Beck. „Dort wachsen Pflanzen wie zum Beispiel der Kreuzenzian oder leben Vögel wie der Neuntöter. Beide Arten stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten und sind auf eine extensive Weidehaltung angewiesen.“